BERICHT ÜBER DIE TEILNAHME AN DER STAATLICHEN BEERDIGUNG VON RAILA AMOLO ODINGA, E.G.H.
Eingereicht von: Sophy A. Maresch (Sofire) | Im Auftrag des Vorstands der Österreichisch-Kenianischen Gesellschaft | Datum: 27. Oktober 2025 | Beisetzungsdatum: 19. Oktober 2025 | Ort: Bondo, Bezirk Siaya, Kenia
1. ZUSAMMENFASSUNG
Dieser Bericht dokumentiert meine Teilnahme an der staatlichen Beerdigung von Raila Amolo Odinga, E.G.H., dem ehemaligen Premierminister Kenias, bei der ich den Vorstand der Österreichisch-Kenianischen Gesellschaft vertrat. Die Beisetzung am 19. Oktober 2025 in Bondo, Bezirk Siaya, war eines der bedeutendsten nationalen Ereignisse Kenias und spiegelte den tiefgreifenden Einfluss eines Staatsmannes wider, dessen politische Karriere die demokratische Entwicklung des Landes über vier Jahrzehnte prägte.
2. HINTERGRUND UND KONTEXT
Der ehrenwerte Raila Amolo Odinga (1945–2025) verstarb am 15. Oktober 2025 während einer medizinischen Behandlung in Indien. Präsident William Samoei Ruto ordnete eine Staatstrauer an; die Flaggen wurden bis zur Beisetzung auf Halbmast gesetzt. Als Sohn von Kenias erstem Vizepräsidenten, Jaramogi Oginga Odinga, verkörperte Railas Leben den Kampf für Demokratie, Verfassungsreform und soziale Gerechtigkeit in ganz Afrika.
Sein Bildungsweg führte ihn nach Deutschland, wo er am Herder-Institut in Leipzig studierte und an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg einen Master of Science in Maschinenbau erwarb. Dies macht sein Vermächtnis besonders relevant für die Mission der Österreichisch-Kenianischen Gesellschaft, den kulturellen und akademischen Austausch zu fördern.
3. DIE BEERDIGUNGSZEREMONIE – 19. OKTOBER 2025
3.1 Ort und Atmosphäre
Bondo, in der Region Nyanza am Viktoriasee gelegen, rückte in den Mittelpunkt des nationalen Interesses. Das Anwesen der Familie Odinga, die bereits die letzte Ruhestätte von Jaramogi Oginga Odinga war, empfing Tausende von Trauernden aus ganz Kenia und dem Ausland. Die Atmosphäre war gleichermaßen feierlich und festlich und spiegelte die kulturellen Traditionen der Luo wider, die Verstorbenen zu ehren und gleichzeitig ein erfülltes Leben zu feiern.
3.2 Zeremonieller Ablauf
Die Beisetzungszeremonie folgte einem aufwendigen staatlichen und kulturellen Protokoll, darunter:
- Militärische Ehren: Ein 19-Schuss-Salut als Symbol höchster staatlicher Ehre
- Religiöse Riten: Gebete verschiedener Konfessionen, begleitet von Hymnen wie „Bleib bei mir“ und „Es ist gut mit meiner Seele“
- Familienbeiträge: Dr. Ida Odinga und ihre Kinder teilten sehr persönliche Erinnerungen. Winnie brachte es auf den Punkt: „Der größte Teil von mir starb am 15. Oktober 2025, aber der Geist des Löwen brüllt ewig weiter.“
- Kulturelle Bräuche: Traditionelle Luo-Bräuche wurden nahtlos in das staatliche Protokoll integriert
3.3 Würdenträger und internationale Repräsentation
Präsident Ruto, First Lady Rachel Ruto, Ex-Präsident Uhuru Kenyatta, Vizepräsident Kithure Kindiki, Kabinettsmitglieder, Parlaments- und Justizvertreter sowie Staatsoberhäupter aus ganz Afrika nahmen teil. Die beispiellose Versammlung im ländlichen Bezirk Siaya zeugte von Railas panafrikanischer Bedeutung. Als Vertreter der Österreichisch-Kenianischen Gesellschaft sprach ich mit dem diplomatischen Korps, übermittelte mein Beileid und erörterte zukünftige Kooperationsprojekte zur Würdigung seines demokratischen Erbes.
3.4 Beteiligung der Bevölkerung
Tausende Bürger säumten die Straßen, um „Babas“ letzte Reise mitzuerleben. Die lokalen Gemeinschaften leisteten Gastfreundschaft, organisierten Essensstände und Unterkünfte und demonstrierten so die kenianische Solidarität. Das Meer aus Orange, der Farbe seiner Partei, verwandelte die Landschaft in ein visuelles Symbol für ein bleibendes politisches Vermächtnis.
4. Kernthemen und Beobachtungen
Demokratischer Kampf: Neun Jahre politische Haft, Bekenntnis zur Mehrparteiendemokratie und entscheidende Rolle bei der kenianischen Verfassung von 2010. Präsident Ruto bemerkte: „Raila Odinga war die Verkörperung von Patriotismus und selbstloser dienender Führung.“
Panafrikanische Vision: Hoher Repräsentant der Afrikanischen Union für Infrastrukturentwicklung (2018) und Sondergesandter für den Frieden in der Elfenbeinküste (2011). In den 1990er Jahren war er in Friedensmissionen in Mosambik, Burundi, Nigeria und Simbabwe tätig.
Versöhnung statt Vergeltung: Würdigung durch Ex-Präsident Kenyatta: „Dieser Weg von erbitterten politischen Gegnern zu Partnern in der ‚Handschlag‘-Einheit hat mir den wahren Charakter dieses Mannes gezeigt.“ Oberster Richter Koome hob dessen Beitrag zur Stärkung der verfassungsmäßigen Ordnung durch drei Anfechtungen der Präsidentschaftswahlen hervor.
Familiäres Vermächtnis: Dr. Ida Odinga: „Über fünf Jahrzehnte lang waren Sie mein Partner, mein Vertrauter, mein größter Unterstützer.“ Persönliche Würdigungen offenbarten einen hingebungsvollen Vater, der den Dienst am Land mit der Hingabe an seine Familie in Einklang brachte.
Generationenwirkung: Gouverneurin Gladys Wanga sagte aus: „Ich habe mich umgehend an der Raila Odinga Academy of Leadership angemeldet und bin dank Ihrer beständigen Unterstützung von einer Anfängerin zu einer erfahrenen Führungspersönlichkeit geworden.“
5. KULTURELLE UND SYMBOLISCHE BEDEUTUNG
Die Beisetzung verband traditionelle Luo-Bräuche mit staatlichem Protokoll und schuf so einzigartige kenianische Zeremonien, die das kulturelle Erbe und die nationale Einheit würdigten. Die Wahl von Bondo anstelle von Nairobi unterstrich das Bekenntnis zu den kulturellen Wurzeln und brachte gleichzeitig Regierungsvertreter und internationale Würdenträger in direkten Kontakt mit den Gemeinden an der Basis – ganz im Sinne von Railas Philosophie, die Entwicklung ländlicher Gebiete voranzutreiben
6. Auswirkungen auf Kenias demokratische Zukunft
Railas Tod markiert einen Generationswechsel in der kenianischen Politik. Sein Vermächtnis der Verfassungsreform, der Dezentralisierung und der demokratischen Regierungsführung bildet das Fundament für künftige Generationen. Die beispiellose Einigkeit während der Beisetzungsfeierlichkeiten, bei der politische Rivalen gemeinsam ihre Ehre erwiesen, lässt auf ein Potenzial für anhaltenden nationalen Zusammenhalt schließen. Durch seine Mentorschaft entstanden Netzwerke von Führungskräften in ganz Kenia, die seine Werte – Dienstbereitschaft, Widerstandsfähigkeit und Einsatz für Gerechtigkeit – weitertragen.
7. Fazit
Die Teilnahme an dieser historischen Beisetzung war eine tiefe Ehre und zugleich eine große Verantwortung. Wichtigste Erkenntnisse:
- Nationale Einheit: Er demonstrierte Kenias Fähigkeit zur Einheit, die politische, ethnische und regionale Spaltungen überwindet.
- Demokratisches Erbe: Die Verfassung von 2010, die Dezentralisierung und die gestärkten demokratischen Institutionen sind Denkmäler seines Wirkens.
- Internationale Bedeutung: Die Anwesenheit von Staatsoberhäuptern im ländlichen Siaya bestätigte seinen Status als panafrikanische Ikone.
- Kulturelle Integration: Nahtlose Verschmelzung traditioneller Bräuche mit modernen Staatszeremonien.
- Generationenprägende Wirkung: Vom Gefangenen zum Premierminister verkörpert sein Werdegang die Möglichkeiten des demokratischen Kampfes in Afrika.
8. EMPFEHLUNGEN
- Offizielles Kondolenzschreiben an die Familie Odinga in Anerkennung seiner Verdienste und seiner Verbindung zum ostdeutschen Bildungswesen.
- Jährliche Gedenkvorlesung in Wien zum Thema „Demokratie und Panafrikanismus“, die österreichisch-kenianische Wissenschaftler zusammenbringt.
- Raila-Odinga-Stipendium für benachteiligte kenianische Studierende, die ein Studium im deutschsprachigen Raum absolvieren. Länder
- Dokumentarfilmprojekt zur Erstellung zweisprachiger Lehrmaterialien über seine demokratischen Beiträge für österreichische Institutionen
- Kultureller Gedenkabend in Wien mit kenianischer Musik, Kunst und Dialog über demokratische Entwicklung
- Forschungskooperation mit kenianischen Universitäten zu demokratischer Regierungsführung und panafrikanischer Entwicklung
- Infrastrukturentwicklungsinitiativen, die seine Rolle in der Afrikanischen Union widerspiegeln und die österreichisch-kenianische Zusammenarbeit zur ländlichen Vernetzung untersuchen